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Volkstanzkreis Rosenheim e.V. Bayern Vernetzt
 
 

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Die erneuerte Rosenheimer Tracht
Als der Rosenheimer Volkstanzkreis schon bald nach seiner Gründung Mitte der 60er Jahre die Suche nach einer historisch belegten Tracht im Rosenheimer Umland aufnahm, gab es keine lebendige Überlieferung mehr. Daher konzentrierten wir uns auf Dokumente der letzten eigenständigen Tracht, um daraus eine auch heute noch tragbare erneuerte Form zu entwickeln. Bei der Durchsicht einschlägiger graphischer Sammlungen zeigte sich, dass eine solche Tracht zumindest bis zur Mitte des vorigen Jahrhunderts getragen wurde. Dies bestätigen auch Bilder bekannter Maler, die um diese Zeit in unserer Gegend wirkten. Aus diesen Quellen gewannen wir erste Vorstellungen davon, wie die Tracht ausgesehen hat.

Die Einzelheiten lieferte uns Friedrich Doppelmayr, ein zur damaligen Zeit in Rosenheim ansässiger Jurist. Seine Bilder, die im Rosenheimer Stadtarchiv aufbewahrt werden, zeigen nicht nur alte Ansichten des damaligen Marktes Rosenheim, er hat auch immer wieder die Bevölkerung des Umlandes in ihrer Tracht im Bild festgehalten. Ausgehend von diesen Vorlagen konnten wir durch Vergleiche der einzelnen Elemente mit ähnlichen Stücken in verschiedenen Museen das ursprüngliche Aussehen so originalgetreu wie möglich rekonstruieren.

Die Tracht verweist in ihren Grundzügen auf das bäuerlich geprägte Rosenheimer Umland als Bindeglied zwischen Inntal und Chiemgau. Ihren besonderen Charakter erhält die Tracht durch Einflüsse der damals bedeutsamen Innschifffahrt sowie der regen Handelsbeziehungen mit Tirol. Mit Braun, Schwarz und Blau nimmt sie die Farben auf, welche die Landschaft beherrschen: braun wie der Torf aus den umliegenden Mooren sind die Jacken der Männer; schwarz wie die Äcker die Röcke der Frauen sowie die Lederbundhosen der Männer; in den Schürzen und Fransentüchern spiegelt sich das Blau des Wassers wider. Dazu gesellt sich mit dem kräftigen Rot der Mieder, der Westen und Jackenaufschläge das Tirolerische, während die Innschiffer den breitkrempigen, schwarzen Hut beisteuern, der von Frauen und Männern getragen wird und in seiner Form und Machart ebenfalls von der engen Nachbarschaft zu Tirol zeugt. Damit hebt sie sich deutlich von den benachbarten Gebirgstrachten, aber auch von der Bürgerkleidung des Marktes Rosenheim ab.

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Charakteristisch für unsere Tracht sind neben den Farben auch verschiedene Details wie etwa das Muster, das die Goldborten auf dem Rücken der Mieder bilden, die historische Trägerform der Mieder mit der Verlängerungsmöglichkeit durch Seiden- oder Samtbändchen oder die schräg geknöpften Westen, die sich von den in benachbarten Gegenden getragenen Formen besonders abheben.

Bei unseren Nachforschungen ergab sich auch, dass die Tracht zu jener Zeit eine markante Entwicklung mitmachte: präsentieren sich auf den Bildern die älteren Bauern vorwiegend im Rock und mit Stiefeln, tragen die jüngeren die kurze Jacke und Halbschuhe.

Ausgehend von diesen Ergebnissen bedurfte es nur einiger kleiner Anpassungen, vor allem bei der Auswahl der Stoffe, um eine weitgehend originalgetreue, erneuerte Tracht zu schaffen, die wieder Zeugnis ablegt von der Herkunft derer, die sie tragen. Lebendig wird die Tracht durch die kleinen Unterschiede, angefangen vom Hutschmuck über die Fransentücher und Schürzenstoffe der Frauen sowie die Bundhosen der Männer bis hin zu Strümpfen und Schuhen. Der Gesamteindruck zeigt die Zusammengehörigkeit der Gruppe, doch im Detail herrscht Vielfalt.

Diese Tracht ist die erneuerte Rosenheimer Tracht, wie sie vom Ehepaar Krämer nach historischen Unterlagen 1966 bei der Gründung, nachempfunden wurde. Als Vorlage diente der Doppelmayr-Band aus dem Stadtarchiv und Aufzeichnungen aus dem Heimatmuseum. Sie unterscheidet sich deutlich von der geläufigen Gebirgstracht der Umgebung und wurde vor einigen Jahren mit leichten Abwandlungen auch von der Rosenheimer Stadtkapelle übernommen. Die Zuschüsse der Stadt Rosenheim halfen dem Verein dabei, dass unseren aktiven Mitgliedern Zuschüsse zum Kauf der Tracht gegeben werden konnten. Wir sehen es als Ehrensache, in unseren Trachten beim Herbstfesteinzug und beim Erntedankfest dabei zu sein.

Anlage zur "erneuerten Tracht":
Vorlagen: Bilder von Friedrich Wilhelm Doppelmayr und Quaglio aus dem Heimatmuseum Rosenheim, Besuche der umliegenden Heimatmuseen, Beratung durch Trachtenschneiderei Bogenhauser, R'heim und Herrn Wismeth, Fa. Jäger in Miesbach, sowie Fr. Dr. Menaldi, Volkskundemuseum Innsbruck

 

Beschreibung der Tracht

Männer:
Braune Jacke mit roten Jackenaufschlägen (Lodenstoff) wie bei Doppelmayr; gerade Jacke mit Flankennähten, Rückenmitte Naht mit einseitigem Schlitz, Ärmel mit Schlitz schmal rot paspoliert wie Doppelmayr S. 54
Leiberl (Weste): Stoffart: rotes Tuch ganz gleich oder Rücken kariert, schräg geknöpft wie Doppelmayr S. 54
Hemd: Umlegekragen oder Stehkragen, aus Leinen oder Halbleinen mit angereihten Ärmeln, dazu ein aus schwarzem Stoff (Georgette) genähtes "Florl"
Bundlederhosen: schwarz oder braun mit Lederhosenträger
Strümpfe: weiß
Schuhe: schwarze Trachtenschuhe
Hut: breitkrempig, schwarz mit schwarzer Kordel und Quaste, schwarz ausgefüttert
Schirm: einheitlich schwarz

Frauen:
Rotes Mieder mit Goldborten und einfarbigem roten Einsatz mit Gold-Schnürhaken und Verschnürung mit Goldkordel, historische Trägerform mit Knopflöchern als Verlängerungsmöglichkeit durch Samt- oder Seidenbänder (blau), schwarzer Rock mit Besenborte, gereihter weißer, langer Unterrock bzw. Drehhose (für Auftritte) Seidenschürze in verschiedenen Blautönen
Strümpfe: weiße Kniestrümpfe,
Schuhe: schwarze Schuhe (Pumps oder Trachtenschuhe),
Hut: schwarzer breitkrempiger Hut (wie Männer) mit Goldborte und Goldquaste,
Jacke: schwarze Stoffjacke mit angereihten Ärmeln und etwas auf Taille gearbeitet, vorne geschlossen mit versteckten Hacken
Körbchen: aus Weide mit Deckel (Tanzzeichen werden angehängt)
Schirm: einheitlich blau/weiß mit Rüschchen

Kinder:
sollen wie die Erwachsenen ausgestattet werden, jedoch ohne Lederhosen (dafür Stoffbundhosen) und ohne Hut